Courtney Banghart – Wie komme ich über eine herbe Niederlage hinweg?

Coaching

Courtney Banghard, Coach der Frauenbasketballmanschaft der University of North Carolina, hilft einer ehrgeizigen Athletin, eine Niederlage zu verarbeiten, und zeigt ihr, worum es beim Sport wirklich geht.

Letzte Aktualisierung: 25. Februar 2021
Eine schwere Niederlage verdauen

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F:

Lieber Coach,

Fußball ist mein Leben. Ich liebe den Sport und bin auch eine ganz gute Spielerin. Alle meine besten Freundinnen sind in meiner Mannschaft. Wir haben zwei Jahre in Folge die High School State Championship gewonnen, doch leider mussten wir letzte Saison bei den Playoffs eine Niederlage einstecken. Ich kann es nicht ertragen, zu verlieren, und komme, um ehrlich zu sein, nicht darüber hinweg. Jetzt habe ich Angst vor der kommenden Saison, denn irgendwann geht es ja wieder los. Unsere drei besten Spielerinnen haben ihren Abschluss gemacht und die jüngeren, die nachgerückt sind, sind nicht sonderlich stark. Es ist auch mein letztes Schuljahr, was bedeutet, dass ich zum letzten Mal die Chance habe, mein Bestes zu geben. Ich weiß nicht, ob ich gut genug bin, um es in eine College-Mannschaft zu schaffen. Ich will mich also noch mal so richtig ins Zeug legen. Doch wie komme ich über die Enttäuschung der letzten Saison hinweg?

Eine Niederlage macht ihr schwer zu schaffen
17-jährige Fußballspielerin

A:

Du hast recht, GOAL. Eine Niederlage ist immer hart. Aber ich verliere lieber, als dass ich gar nicht spiele.

Als Spielerin und Coach habe ich schon viele herbe Niederlagen verkraften müssen. 2015 war ich Coach der Princeton Tigers. Wir gingen als bestplatzierte Ivy-League-Mannschaft in der NCAA-Turniergeschichte und als einziges ungeschlagenes Team (bei den Frauen und Männern) in der Division I Basketball in die Play-offs.

Doch leider haben wir in der zweiten Runde verloren, und das vor mehr als 18.000 Zuschauern. Das tat weh!

Als wir uns nach dem Spiel in der Umkleidekabine versammelten, sagte ich zu meinen Spielerinnen: "Ich verstehe, dass es euch weh tut. Mir tut es auch weh. Doch der Schmerz, den wir verspüren, bedeutet nicht, dass wir versagt haben. Er bedeutet, dass wir alles gegeben haben."

Ja, ihr habt verloren. Und ja, ihr könnt 1.000 Prozent geben und trotzdem verlieren. Doch eines sollten wir gleich zu Beginn klarstellen: Ihr seid keine Verlierer. Es kann zwar nur ein Team als Sieger hervorgehen, doch beide Teams können ihr Bestes geben. Solange ihr also euer Bestes gebt, seid ihr Gewinner.

Eine schwere Niederlage verdauen

Wie wäre es, wenn du deine Angst vor dem Verlieren in eine Angst vor dem Verpassen einer Chance verwandelst? Das ist etwas, was ich in der High School gelernt habe. Ich war Landesmeisterin im Tennis, aber als es darum ging, meinen Titel zu verteidigen, musste ich gegen ein absolutes Ausnahmetalent antreten. Ich wusste, dass meine Chancen, sie zu schlagen, gering waren. Aber ich wusste auch, dass ich meiner Angst vor dem Verlieren nicht nachgeben wollte. Aufgeben war keine Option für mich.

Es kann zwar nur ein Team als Sieger hervorgehen, doch beide Teams können ihr Bestes geben. Solange ihr also euer Bestes gebt, seid ihr Gewinner.

Ich trat also gegen sie an und hoffte sozusagen auf ein Wunder. Doch wie schon erwartet, habe ich verloren. Aber was solls! Vor so vielen Zuschauern gegen eine so starke Gegnerin zu spielen und zu verlieren war immer noch besser, als damit zu leben, es gar nicht erst versucht zu haben. Und weißt du was? Im darauffolgenden Jahr habe ich die Meisterschaft gewonnen (das Ausnahmetalent hat seinen Abschluss gemacht und war nicht mehr an der Schule).

Was mir noch geholfen hat, über diese Niederlage hinwegzukommen und als Gewinnerin hervorzugehen, war es, den Moment zu würdigen, den Schmerz zu spüren und ihn dann loszulassen. Du kannst zurückblicken, wenn du irgendwann mal mit dem Sport aufhörst, aber nicht, wenn du mittendrin steckst. Meine Spielerinnen und ich – und Athleten im Allgemeinen – sind extrem ehrgeizig. Wir sind echte Kämpferinnen – immer auf der Jagd.

Auf Twitter verwende ich oft den Hashtag #inpursuit. Das ist sozusagen mein Mantra. Es bedeutet jedoch nicht, dass ich nach dem nächsten Sieg strebe, sondern nach der nächsten Chance. Ich habe Folgendes festgestellt: Je härter man für etwas arbeitet, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich.

Ich sehe, dass sich dir hier eine Riesenchance bietet: ein Aufbaujahr. Bei Überleben und Evolution geht es um Anpassung. Dieses Sprichwort stammt von Darwin. Ich liebe es und lebe auch danach. Ich würde ein Aufbaujahr nie mit einem Gedanken wie "Das wird sicherlich ganz schrecklich" angehen. Vielmehr würde ich mir Folgendes denken: "Wie kann ich mich anpassen?"

Je härter du für etwas arbeitest, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich.

Du sagst, dass mache Spielerinnen in deiner Mannschaft nicht so talentiert sind. OK, das kommt vor. Die Frage ist, wie du dich an diese Situation anpasst. In Anbetracht der Tatsache, dass deine Mannschaft überwiegend aus jüngeren Spielerinnen besteht, könntest du die Rolle der Kapitänin übernehmen. Inspirier sie dazu, zu zeigen, was in ihnen steckt. Ich bin schon immer fasziniert vom psychologischen Aspekt des Sports. Tatsächlich habe ich im College Neurowissenschaften studiert. Du weißt wahrscheinlich intuitiv, dass du besser spielst und schneller lernst, wenn du selbstbewusst und zuversichtlich bist. Dein Selbstvertrauen zu stärken ist also ein guter Anfang.

Als ich noch gespielt habe, habe ich immer versucht, das Selbstvertrauen meiner Mannschaftskolleginnen zu stärken. Ich gab ihnen beispielsweise High-Fives und sagte Dinge wie "Du hast heute wirklich super gespielt" zu ihnen. Manchmal bot ich auch an, sie nach Hause zu fahren, und nutzte diese Gelegenheit, um mit ihnen darüber zu sprechen, was beim Spiel gut lief. All das hat ihr Selbstbewusstsein gestärkt und ihnen geholfen, über die Grenzen hinauszugehen, die sie sich vermutlich selbst gesetzt haben. Außerdem konnte ich so eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Und das ist schlussendlich auch das, woran man sich später erinnert. Siege und Niederlagen sind dann nicht mehr so wichtig.

Du magst zwar denken, dass du jetzt das letzte Mal die Chance hast, dich zu beweisen, doch du schränkst dich damit nur selbst ein. Als mir im Jahr 2000 meine erste Stelle als Tennis- und Basketballcoach angeboten wurde, dachte ich mir, dass Coach ja gar kein richtiger Job sei. Jetzt, 20 Jahre später, könnte ich nicht glücklicher sein. Für dich bedeutet das Folgendes: Auch wenn du schon bald nicht mehr für deine High School spielst, muss deine sportliche Karriere nicht zwingend vorbei sein (es sei denn, du willst es so). Du allein entscheidest, wann und wie du mit etwas aufhörst.

Coach Banghart

Courtney Banghart ist Cheftrainerin der Frauenbasketballmannschaft an der University of North Carolina. Vorher war sie Chefcoach in Princeton. 2015 wurde sie zum Naismith National Coach of the Year ernannt und war 2017 Assistenztrainerin für die U23-Basketballnationalmannschaft der Frauen. Als herausragende Spielerin in Dartmouth stellte Banghart einen bisher ungeschlagenen Rekord für die meisten Dreipunktwürfe in einer Karriere auf. Banghart ist Mitglied des Vorstands der Women’s Basketball Coaches Association und des NCAA Women’s Basketball Oversight Committee.

Schick uns deine Frage zu Mindest, Sport oder Fitness per E-Mail an [email protected].

Illustration: Harrison Freeman

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Ursprünglich erschienen: 23. Februar 2021

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