Was hat es mit Barfußlaufen auf sich – und lohnt es sich?

Sport und Bewegung

Steigt die Leistung ohne Schuhe? Expert:innen sprechen über die Vor- und Nachteile des Barfußlaufens.

Letzte Aktualisierung: 26. Juli 2022
7 Min. Lesezeit
Ist Barfußlaufen eine gute Idee?

Auch wenn Barfußlaufen unnötig und – je nach Oberfläche – auch etwas unsicher erscheinen mag, weisen Expert:innen darauf hin, dass es auf lange Sicht einige Vorteile bringen kann. Aber heißt das, dass du die Schuhe für immer an den Nagel hängen solltest?

Zuallererst ist Barfußlaufen kein neuer Trend. Historiker:innen weisen darauf hin, dass der erste Marathonläufer Pheidippides vor Tausenden von Jahren 483 km barfuß am Stück lief. Die neueste Welle entbrannte wahrscheinlich nach dem Buch Born to Run von Christopher McDougall aus Jahr 2009, in dem es größtenteils um die Tarahumara geht – ein indigenes Volk im Norden Mexikos, das dafür bekannt ist, lange Strecken und felsiges Terrain in Sandalen oder barfuß zu überwinden.

Also beim nächsten Lauf barfuß oder lieber mit den altbewährten Laufschuhen laufen? Hier beantworten Expert:innen wichtige Fragen, wenn es darum geht, Barfußlaufen auszuprobieren.

Muss es unbedingt barfuß sein?

Auch wenn diese Frage anfangs etwas unsinnig erscheint – sonst würde es schließlich nicht Barfußlaufen heißen –, ist sie definitiv diskussionswürdig, denn viele Menschen glauben, dass "natürliches Laufen" auch mit minimalistischen Schuhen möglich ist, sagt Tom Holland, C.S.C.S., Trainingsphysiologe, Autor von The Marathon Method und Sprecher des Podcasts Fitness Disrupted.

Diese Schuhe haben sehr wenig Struktur, keine gepolsterten Sohlen und stützen das Fußgewölbe nicht. Sie sollen die Füße hauptsächlich vor Gefahren wie zerbrochenem Glas, spitzen Steinen und sonstigen Dingen schützen, an denen man sich schneiden könnte.

"Das ist ein kontroverser Punkt, aber technisch gesehen gelten diese Schuhe nicht als solche, da sie nur Schutz vor Objekten auf dem Boden bieten. Sie stützen die Füße nicht", sagt er. "Aus diesem Grund tragen viele Leute sie und behaupten dennoch, sie würden barfuß laufen."

Was sind die Vorteile von Barfußlaufen?

Mit der Zeit kann Barfußlaufen deutlich die Fuß- und Knöchelmuskeln stärken", sagt Alina Kennedy, C.S.C.S., zertifizierter Laufcoach und Physiotherapeutin.

"Stell dir vor, du läufst barfuß auf einem ungepflasterten Pfad", sagt Kennedy. "Aufgrund der unebenen Oberfläche müssen die Gelenke und Muskeln in den Füßen diese Oberfläche umschließen, um den Körper zu stützen."

Barfußlaufen kann also Anpassungsfähigkeit, Kraft und Balance verbessern. Mit der Zeit, sagt Kennedy, kann man als Sportler:in stabiler und besser werden. Je nach Art der Schuhe, die man normalerweise trägt, kann man eine nicht unwichtige Menge an Gewicht von den Füßen nehmen, was zu einem höheren Tempo führen kann.

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Was sind die Nachteile von Barfußlaufen?

Zuallererst gibt es eben ein paar Sicherheitsbedenken, dass man auf scharfe oder gefährliche Objekte treten könnte. Wenn man komplett barfuß läuft, sollte man den Status seiner Tetanusimpfung überprüfen. Das kann ernste Probleme vermeiden, wenn man einen tiefen Schnitt oder eine Stichwunde erleidet und Bakterien in den Fuß dringen.

Man muss auch die Laufoberfläche bedenken, so Kennedy. Die meisten von uns laufen nicht auf gepflegten Naturpfaden. Wir laufen auf Betonpfaden, Straßen oder anderem festen Boden.

"Das bedeutet, dass unsere Füße nicht in den Genuss der unterschiedlichen Oberflächen von und dem Manövrieren auf 'natürlichem Boden' erfahren", sagt sie. "Die ständige harte Oberfläche, auf der wir in der Regel laufen, ist sehr rau und erschüttert unsere Füße, selbst mit Schuhen, und erst recht ohne."

Auch wenn Barfußlaufen als instinktiv oder natürlich angesehen werden kann, sagt sie, können die ungewohnte Bewegung und das Gelände Risiken für Verletzungen wie Verstauchungen und Zerrungen erhöhen." Deshalb solltest du stets mit deiner Ärztin oder deinem Arzt abklären, bevor du barfuß läufst.

Auch wenn barfuß natürlich ist, sollte man daran denken, wie sehr wir uns an Schuhe gewöhnt haben. Studien weisen darauf, dass Schuhe die Füße der Menschen im Laufe der Jahrhunderte verkleinerten und auch Gangart, Entwicklung des Fußgewölbes und die allgemeinen Bewegungsmuster beeinflussen. Ist man barfuß, tendiert man beispielsweise dazu, auf dem Mittelfuß zu landen – was den Aufprall der Ferse mindert und den Schritt kürzer macht. Dank Dämpfung landet man mehr auf der Ferse, was Druck auf das Bein ausübt, insbesondere auf die Gelenke.

Muss ich ein:e erfahrene:r Läufer:in sein, um Barfußlaufen zu probieren?

Selbst wenn du erfahren im Ultra-Marathon bist, wird du im Barfußlaufen Neuling sein", sagt Kennedy.

"Man beginnt am Anfang, egal wie hoch die Lauferfahrung auch sein mag", sagt sie. "Das liegt daran, dass es eine komplett neue Fertigkeit ist, die ein anderes Training erfordert. Das Barfußlaufen erfordert weitaus mehr Kraft und Stabilität in Füßen und Knöcheln beispielsweise."

Der größte Fehler, den normale Läufer:innen machen, ist barfuß die übliche Strecke zu laufen", sagt sie. Kennedy sagt, dass dieser Ansatz den Füßen nicht genug Zeit oder Training ermöglicht, die Belastungen des Barfußlaufens zu verarbeiten.

"Es ist fast besser, wenn man noch nie gelaufen ist und von vornherein barfuß beginnt", sagt sie. "Man läuft schrittweise längere Distanzen, wenn man fitter wird und die Füße haben Zeit, sich anzupassen und das Barfußlaufen zu erlernen."

Wir kannst du Verletzungen vermeiden, wenn du mit dem Barfußlaufen beginnst?

Denk dran, dass du nicht ausschließlich barfuß laufen musst. Holland beispielsweise sagt, dass er es mischt, je nachdem wie er läuft. Er trägt minimalistische Schuhe auf Gras oder Sand und bei kürzeren Track-Läufen. Bei Läufen von mehr als 5 km wählt er Schuhe mit Dämpfung und für Off-Road-Läufe Trailschuhe. Wenn man noch nie gelaufen ist, sollte man am Anfang nur einige Minuten barfuß trainieren und dabei zwischen gehen und laufen wechseln. So erhält man ein Gefühl für die Aktivität.

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Kennedy empfiehlt das Laufen auf Sand oder nicht-steinigen Pfaden und minimalistische Schuhe für den Beginn, wenn man noch nie barfuß gelaufen ist. Am Anfang sollte man nur kurze Distanzen barfuß laufen und bei anderen Läufen in der Woche Schuhe tragen", sagt sie.

"Man sollte schrittweise das Barfußlaufen steigern, während man sich daran gewöhnt und die Füße kräftiger werden. Ins kalte Wasser springen und alle Laufschuhe wegwerfen sollte man nicht", sagt sie. "Kraft- und Balancetraining sind außerdem wirklich wichtig. Wenn man barfuß läuft, muss man die Füße und Knöchel trainieren, um viel härter und länger trainieren zu können als beim Laufen in Schuhen."

Ein weiterer Vorteil ist die neuromuskuläre Verbindung durch größeres propriozeptives Feedback, was schlicht und einfach bedeutet, dass man das Gelände spürt und das bewirkt, dass der Körper sich aufgrund der Informationen anpasst, die die Füße an das Gehirn senden.

"Für mich sind Barfußlaufen und minimalistische Schuhe Trainingsmethoden, um die Stärke des Bewegungsapparats im Unterkörper zu erhöhen, während ich die Laufmechaniken verbessere", so Holland.

Die beste Strategie? Lass es langsam angehen. Holland sagt, dass man nach jahrzehntelangem Tragen von Schuhen mit Dämpfung nicht plötzlich barfuß laufen und erwarten kann, dass der Körper sich ganz schnell anpasst. Das gilt besonders bei schwachen Knöcheln oder bei Problemen mit dem Fußgewölbe, wie beispielsweise bei Plattfüßen. Auch wenn die Cleveland Clinic anmerkt, dass das Barfußlaufen die Fußmuskeln festigen kann, um ein flaches Fußgewölbe zu stabilisieren, bedeuten Schmerzen oft, dass man es übertreibt, zu schnell ist und wieder stützende Schuhe verwenden sollte, wenn das passiert.

Forscher:innen sind der Meinung, dass das Barfußlaufen, das Risiko für Stressfrakturen im Fuß erhöhen kann, wenn man zu viel trainiert. Vor allen Dingen ist es ein Abenteuer und eine Möglichkeit, Abwechslung in die Trainingsroutine zu bringen – aber natürlich solltest du es mit deiner Ärztin oder deinem Arzt besprechen und bei jedem Schritt auf den Körper hören.

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Text: Elizabeth Millard

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Ursprünglich erschienen: 3. Mai 2022